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Impressionen aus Mae La

Impressionen aus Mae La- Bilder aus dem Alltagsleben von karenischen Flüchtlingen.
 
Mae La ist das größte von insgesamt neun Flüchtlingslager an der thailändisch-burmesischen Grenze und derzeit Zufluchtsort von mehr als 46.000 Menschen. Das Camp, das eigentlich vielmehr eine Stadt ist, die immer noch den offiziellen Namen Mae La Temporary Shelter Area trägt, ist zu einem dauerhaften Zufluchtsort geworden. 
 
Wie leben die Flüchtlinge in Mae La?
Diese Ausstellung zeigt Fotos aus Mae La, Impressionen aus dem Alltag und des zwischenmenschlichen Zusammenlebens sowie Portraits. Es bildet einen kleinen Auszug des Camps ab und beschränkt sich auf die größte ethnische Gruppe im Camp, die Karen. 
Dort herrscht ein komplexes Zusammenleben zahlreicher ethnischer und religiöser Gruppen, von stärker und weniger marginalisierten Menschen, von Jungen und Alten, Motivierten und jenen, die sich ihrer prekären Lage hingegeben haben, von Neuankömmlingen und Alteingesessenen. Eins haben all diese Menschen gemeinsam: Sie leben nicht freiwillig hinter einem Stacheldrahtzaun, der das gesamte Camp umschließt, sondern weil sie es müssen, weil Mae La ihnen ein besseres Leben im Vergleich zu ihrer Heimat bietet und es für einige zu einem zweiten Zuhause geworden ist.
Hier gehen, prozentual gesehen, mehr Kinder zur Schule als in Burma, es gibt ein kostenloses „Krankenhaus“ und humanitäre Hilfe. All dies ermöglicht ein Überleben.
Doch Mae La ist nicht nur ein Ort des Schutzes, sondern auch der Diskriminierung seitens des thailändischen Staates, der Korruption und der Perspektivlosigkeit. 
Insbesondere nach der Machtübernahme der Regierung durch das thailändische Militär im Mai 2014 können die Flüchtlinge ihren Lebensunterhalt, beispielsweise durch Arbeiten auf den Feldern thailändischer Landbesitzer oder in den Fabriken außerhalb des Camps, oder durch das Sammeln von Nahrung in den nahegelegenen Wäldern, nicht mehr sicherstellen. Die Restriktionen gegen Flüchtlinge, die sich außerhalb des Camps ohne Genehmigung aufhalten, wurden verschärft. Es finden immer mehr Deportationen zurück nach Burma statt. Erschwerend kommt hinzu, dass die Lebensmittelrationen durch TBC (The Border Consortium), einem Zusammenschluss von zehn großen NGOs, die das Überleben der Camp-Bewohner ermöglichen, in den letzten Jahren drastisch reduziert wurden. Die Angst ums tägliche Überleben, die Fremdverweigerung eines emanzipierten und selbstbestimmten Lebens, Traumata und Schikanen seitens der Camp-Aufsicht haben zu einem Anstieg des Missbrauchs von Drogen und Alkohol geführt. 
Den Menschen in Mae La muss eine Stimme gegeben werden, denn sie befinden sich in einer äußerst prekären Lage. 
 
Die Fotos sind durch ein Kooperationsprojekt zwischen dem jungen Fotografen Soungpoe aus Mae La und Julia Gorlt entstanden und zeigen Impressionen des Ortes, in dem Soungpoe als Kind Zuflucht gesucht hat und den er bis heute nicht verlassen konnte. 
Sein Talent steht stellvertretend für das vieler anderer Menschen im Camp, die auf ihre Chance warten, dieses endlich ausleben zu können.
Geschichtlicher Verlauf des Konflikts in Burma und der Flüchtlingsströme nach Thailand.
 
Die Muster der Konflikte in Burma sind komplex und vielschichtig. Immer wieder entstehen neue Zusammenschlüsse von regierungstreuen Armeefraktionen sowie den Kämpfern für die Rechte von Burmas zahllosen ethnischen Minderheiten.
 
Dieser Informationstext gibt einen groben Überblick über den Konflikt in Burma, muss aber viele andere Konfliktinhalte und Entwicklungen vernachlässigen.
 
Als der Vielvölkerstaat Burma 1948 die Unabhängigkeit von Großbritannien erhielt, brach ein Machtkampf um die rohstoffreichen Gebiete der ethnischen Volksgruppen des Landes aus. Das burmesische Militär wollte diese Gegenden rigoroser als zuvor kontrollieren, was die Widerstandsarmeen der Shan, Mon, Karen, Kachin und anderer Ethnien zu verhindern versuchten. Durch die Machtübernahme des Landes durch General Ne Win im Jahr 1962 stürzte das Land in eine nicht enden wollende Spirale von Gewalt, Vertreibung, Zensur und erzwungenem Nationalismus. Ne Win propagierte einen Burmese Way to Socialism in einem Einparteienstaat mit Militärregierung.
 
Bereits 1984 flohen die ersten Zivilisten, zumeist Angehörige der Karen, der drittgrößten Bevölkerungsgruppe des Landes, aus Burma nach Thailand, auf der Suche nach Asyl. In diesem Jahr hatte das burmesische Militär seine Offensive gegen die de facto autonomen Gebiete der ethnischen Nationalitäten Shan, Karen, Mon und Kayah im Osten des Landes massiv ausgedehnt.
In den Jahren zuvor wurden lediglich sogenannte Trockenzeit-Offensiven gegen die ethnischen Völker geführt, da sich Ne Wins Soldaten in der dichten Dschungellandschaft während der Regenzeit nicht ausreichend orientieren und nur schlecht angreifen konnten. 
1984 gelang es dem Militär jedoch, sein Einflussgebiet auszudehnen mit der Folge, dass mehr als 10.000 überwiegend karenische Flüchtlinge gezwungen waren, dauerhaft in Thailand Zuflucht zu suchen. 
Mae La und andere Camps, die entlang der thailändisch-burmesischen Grenze bereits Jahre zuvor sporadisch errichtet worden waren, wurden zu permanenten Zufluchtsorten.  
General Ne Win richtete das Land zu Grunde: die Währung verlor im Jahr 1987 so stark an Wert, dass dies zu Massendemonstrationen seitens derer führte, welche die Demokratiebewegungen im Land friedlich vorantreiben wollten. Die blutige Niederschlagung der Massenproteste gegen das Militärregime in der damaligen Hauptstadt Yangon, bei der mehrere tausend Menschen durch das Militär ermordet wurden, löste einen erneuten Zuwachs der thailändischen Flüchtlingslager aus, denn mehr als 10.000 studentische Aktivisten, Mönche und andere Demonstranten mussten ihre Heimat dauerhaft verlassen. 
Die Flüchtlingszahlen stiegen 1994 weiter an. Damals nahm die burmesische Militärregierung,die sich SPDC (State Peace and Development Council) nannte, zusammen mit der DKBA (damals Democratic Karen Buddhist Army), das militärische Zentrum der KNU (Karen National Union) und der KNLA (Karen national Liberation Army)in Manerplaw ein. 
Die DKBA hatte sich kurz zuvor von der KNU abgespalten, ist aber heute wieder mit ihr vereint. 1994 lebten bereits etwa 80.000 Flüchtlinge in den insgesamt neun Camps auf thailändischem Staatsgebiet.
 
1997 führte der SPDC eine großangelegte Trockenzeit-Offensive in den verbliebenen, durch die KNU/KNLA kontrollierten Gebieten durch und beherrschte seitdem große Teile des Karen-Staates, ein Gebiet, das von den Karen selbst Kawthoolei genannt wird. 
In jenem Jahr lag die Zahl der Menschen in den thailändischen Flüchtlingslagern bereits bei 115.000. 
Zwischen den Jahren 1996 und 2011 wurden mehr als 3.700 Dörfer ethnischer Minderheiten zerstört, wodurch mehr als eine Million Menschen in die Flucht getrieben wurden. Die meisten Geflohenen suchten innerhalb Burmas an anderen Orten Zuflucht. 
2005 stieg die Flüchtlingszahl in Mae La auf ein Maximum von 150.000 Menschen an, kurz bevor das Wiedereingliederungsprogramm (resettlement program) für Drittstaaten wie der USA, Kanada, Norwegen und Australien, gestartet wurde. Bewerben konnten sich nur Flüchtlinge, die zuvor durch den UNHCR registriert worden waren. Die thailändische Regierung stoppte die Registrierung von Flüchtlingen im Jahr 2005. Das resettlement program lief in diesem Jahr aus. Es bot mehr als 90.000 Flüchtlingen ein neues Zuhause in einem Drittstaat.
2008 suchte der Zyklon Nargis das tiefliegende Irrawaddy-Delta heim und riss 135.000 Menschen in den Tod. Die Militärregierung blockierte internationale Hilfe für die Betroffenen und verursachte nicht wiedergutzumachende Schäden für die gesamte Region und tausende Opfer.
 
Bei Massendemonstrationen während der Safran Revolution wurden erneut tausende Gegner der korrupten Militärregierung und des immensen Preisanstiegs im Land getötet. 
 
Weitere Gefahren für das Überleben, insbesondere für das der ländlich lebenden Bevölkerung in den Staaten der ethnischen Minderheiten, stellen die weitläufige Verseuchung mit Landminen, Landkonfiszierungen, ein faktisch kaum existierendes Gesundheits- und Schulwesen, sowie die allgemein weitverbreitete Armut dar. Diese unmittelbar mit dem militärischen Konflikt in Verbindung stehenden Faktoren zwingen Menschen immer noch dazu, ihre Heimat zu verlassen: Die Zahl derer aus ländlichen Gebieten Stammenden, die innerhalb Südostburmas heimatvertrieben sind (Internally Displaced Persons, IDPs), wurde 2012 auf mehr als 400.000 beziffert (TBC Report 1,2013:124).  
 
Ernsthafte Hoffnungen auf eine friedliche Entwicklung des über 60 Jahre alten bewaffneten Konfliktes sowie auf Demokratiereformen gab es im Jahr 2010, als Thein Sein zum Präsidenten des Landes gewählt wurde und die meisten nicht-staatlichen bewaffneten Gruppen einem Waffenstillstandsabkommen mit dem burmesischen Militär im Jahr 2012 zustimmten. Die EU hob alle nicht-militärischen Sanktionen gegen das Land auf und die Liberalisierung des Handels wurde vorangetrieben.
Aung San Suu Kyi, Friedensnobelpreisträgerin und Tochter des berühmten Generals Aung San, der das Land auf die Unabhängigkeit vorbereitet hatte, wurde Mitglied des Regierungsparlamentes und will sich bei den anstehenden Wahlen nächstes Jahr zur Präsidentschaftskandidatin aufstellen lassen, nachdem sie zuvor insgesamt 15 Jahre lang unter Hausarrest des Militärs stand. 
 
Sie wird als die Freiheitsikone des Landes angesehen und es ist davon auszugehen, dass sie bei den nächsten Präsidentschaftswahlen die Mehrheit
des Volkes für sich begeistern kann. Die derzeitige Verfassung des Landes erlaubt es ihr jedoch nicht für dieses Amt zu kandidieren, da sie einen ausländischen Ehemann hatte und Kinder,
die nicht in Burma leben. Zudem besitzt das Militär immer noch 25 Prozent der Parlamentssitze und damit eine starke Veto-Stimme, auch bei Verfassungsänderungsvorschlägen. 
 
Der burmesische Staat ist weder demokratisch, noch achtet er die Menschenrechte. 
Im Gegenteil: Das Militär, das immer noch ein gewichtiger Teil des „zivilen“ Staatsapparates ist, beteiligt sich aktiv an der gezielten Verfolgung der Volksgruppe der Rohingya, verwehrt ihnen die Staatsbürgerschaft und lässt es zu, dass radikale buddhistisch-nationalistische Organisationen wie 969 Movement ethnische Säuberungen im Rakkhine-Staat durchführen. Auch San Suu Kyi sprach sich bisher nur zaghaft für eine Beendigung der Verfolgung dieser Menschen aus. 
Erst vor wenigen Wochen brach das burmesische Militär das Waffenstillstandsabkommen im
Mon- und Karen-Staat; es kam zu Anschlägen mit 
Mörsergranaten, Schießereien, und der Vertreibung von Zivilisten. Die Kämpfe werden von Nichtregierungsorganisationen im Karen-Staat als „überlegter militärischer Feldzug“ verstanden, in dem das burmesische Militär versuche, ihr kontrolliertes Territorium rund um das Gebiet in Mon- und Karen-Staat, auf dem in naher Zukunft ein riesiger Staudamm gebaut werden soll, auszudehnen. 
Als Reaktionen auf die neue Flüchtlingswelle hat das thailändische Militär den Schutzsuchenden die Grenzüberschreitung verwehrt oder sie zurück in die Gefahrenzone jenseits der Staatsgrenze deportiert.
 
Bisher hat Thailand die Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 nicht unterzeichnet. 
 
Die oben genannten Entwicklungen zeigen, dass es unter den derzeitigen Umständen inakzeptabel ist, Flüchtlinge aus Thailand zurück nach Burma zu schicken. Eine Zurückweisung von Schutzbedürftigen stellt einen Verstoß gegen Internationales Recht dar und ist ein Akt der Unmenschlichkeit.
Die gegenwärtige Militärregierung in Thailand muss ihre seit einigen Monaten stark verschärften Restriktionen gegen Flüchtlinge, die als illegale Einwanderer betrachtet werden, lockern und ihnen endlich ein menschenwürdiges Leben ermöglichen. Die Deportationen zurück in ein Leben voller Verfolgung, Armut, Hoffnungslosigkeit und Angst müssen enden und die derzeit etwa 142.000 marginalisierten und oft traumatisierten Flüchtlinge müssen in ihrem Nachbarland einen Ort der Zuflucht und des Willkommenseins erleben.
(Text und Fotos: Julia Gorlt, Dezember 2014).
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"Impressionen aus Mae La" zeigt Fotos aus dem Alltagsleben karenischer Flüchtlinge in Thailands größtem Flüchtlingscamp. Zudem befinden sich Info Read More

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